Die meisten (privaten) Anleger haben keine Ahnung, wie Börse technisch funktioniert: Was ist ein Orderbuch? Wie kommt ein Kurs zustande? Was ist ein Tick Chart? Trotzdem versuchen sie, Charts und Kursverläufe zu analysieren und für Ihr Trading zu nutzen. Mach Dich mit den Grundlagen vertraut und gestalte Dein Trading dadurch erfolgreicher.
Beginnen wir mit der einfachen Frage: Wie hoch ist der Unternehmenswert?
Wenn Du Dich bereits ein bisschen mit der Börse beschäftigt haben solltest, denkst Du vermutlich, dass dieser mit dem Aktienkurs an der Börse zusammenhängen muss.
Kurs der Aktie x Anzahl Aktien = Unternehmenswert
Diesen so berechneten Unternehmenswert nennt man in der Finanzwelt die Marktkapitalisierung.
Viele Ökonomen vertreten die Meinung, dass im Aktienkurs alle Informationen enthalten sind, welche den Wert eines Unternehmens bestimmen.
Bei Unternehmensverkäufen werden jedoch beispielsweise andere Verfahren verwendet:
Speziell die Bewertung von Unternehmen, welche nicht die Rechtsform einer Aktiengesellschaft gewählt haben, ist mittels der Marktkapitalisierung nahezu unmöglich.
Eine Alternative stellt in diesem Fall das sogenannte Substanzwertverfahren dar. Vereinfacht ausgedrückt wird hier der Betrag ermittelt, der notwendig wäre, um das gesamte betriebsbedingte Vermögen neu zu kaufen.
Von dem ermittelten Betrag wird das nicht betriebsnotwendige Vermögen und alle Schulden abgezogen. Auf diesem Weg ermittelt man den Substanzwert.
Betriebsnotwendiges Vermögen - nicht betriebsnotwendiges Vermögen - Schulden = Substanzwert.
Stark vereinfacht ergibt der Substanzwert also im Kern die Summe des notwendigen Betriebsvermögens, also beispielsweise alle Patente, Marken, Gebäude, Grundstücke, Maschinen, Lagerbestände etc.
Angewandt auf ein Aktienunternehmen sollte man nun ja denken, dass die Marktkapitalisierung (Aktienkurs x Anzahl Aktien) in etwa dem Substanzwert entsprechen sollte.
Tut sie jedoch nicht.
Dein erstes Keylearing lautet:
Der Kurs einer Aktie hängt nur bedingt mit dem Wert des Unternehmens zusammen
Machen wir uns das an einem ganz einfachen Beispiel klar.
Der obige Chart zeigt den Kurs der Aktie META (ehemals FACEBOOK) über rund 9 Monate. Du kannst erkennen, dass die Aktie im November ein Tief bei rund 87 USD gebildet hat, um anschließend bis auf über 270 USD anzusteigen.
Bei einer Anzahl von 2.882,17 Millionen ausgegebenen Aktien entspricht dies einer Entwicklung der Marktkapitalisierung von rund + 500 Milliarden!
Fällt Dir an der Entwicklung etwas auf?
Mark Zuckerberg ist bestimmt ein ziemlich cooler Typ und toller Geschäftsmann. Das er jedoch innerhalb von nur 8 Monaten über 500 Milliarden Betriebsvermögen aufbauen kann, wage ich ernsthaft zu bezweifeln. Wie viele Patente, Computer, Lizenzen und Bürogebäude sollen denn dahinter stehen?
Zum Vergleich: Der Haushalt der Bundesrepublik Deutschland lag im Jahr 2022 bei rund 495 Milliarden Euro. Und Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt mit über 80 Millionen Einwohnern.
Eine Aktie ist eine Beteiligung an einem Unternehmen. Und der Kurs der jeweiligen Aktie sollte den anteiligen Unternehmenswert darstellen. Daher gilt:
Der Aktienkurs orientiert sich langfristig immer am Wert des Unternehmens.
Und um den Aktienkurs zu errechnen, musst Du lediglich den Unternehmenswert durch die Anzahl der ausgegebenen Aktien dividieren. Nennen wir dies den Wert einer Aktie.
Der Wert einer Aktie und der Kurs einer Aktie werden sich langfristig parallel entwickeln
Die Betonung liegt auf langfristig.
Kurzfristig kann es da jedoch zu deutlichen Abweichungen - sowohl in die eine als auch in die andere Richtung - kommen, weil die Kurse von Aktien durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden (und nicht vom Unternehmenswert).
Wenn es einen Ort oder eine Systematik gibt, welche Kapitalismus oder freie Marktwirtschaft in Reinkultur repräsentieren, dann ist dies die Börse.
Die Börse ist der Ort, wo Anleger sich mit Inhabern treffen, wo Angebot und Nachfrage zusammen kommen und wo sich aus dem Verhältnis beider Seiten ein marktkonformer Preis/Kurs ermitteln lässt.
Im Gegensatz zu dem, was viele Menschen glauben, werden die Kurse an der Börse jedoch nicht rein rational ermittelt.
Entscheidend für einen Kurs ist das Verhältnis von Angebot zu Nachfrage. Also ob es mehr Verkäufer oder Käufer für das jeweilige Wertpapier gibt.
Der verstorbene Börsen-Guru Andre Kostolany hat es mal sehr schön formuliert:
Die ganze Börse hängt nur davon ab, ob es mehr Aktien gibt als Idioten - oder umgekehrt
In seiner Aussage stehen die Aktien für die Verkäufer (Angebot) und die Idioten für die Käufer (Nachfrage).
Dieses grundsätzliche Prinzip der freien Marktwirtschaft gilt tatsächlich nicht nur bei Börsenkursen:
Die Verkäufer erzielen höhere Preise, weil nur diejenigen Käufer Waren (Aktien) erhalten, die bereit sind, höhere Preise als die Masse zu zahlen.
In diesem Fall können Verkäufer lediglich einen Umsatz erzielen, wenn sie bereit sind, die Waren (Aktien) zu einem niedrigeren Preis zu verkaufen.
Stell Dir vor, Du bist Besitzer eines Autos (Aktien), welches Du nun verkaufen möchtest.
Mittels Schwackeliste und Internetrecherche (Substanzwertverfahren) kommst Du darauf, dass Dein Wagen einen Wert von ca. 10.000 Euro hat.
Nun gibst Du ein Inserat auf, mittels dessen Du den Wagen verkaufen möchtest und setzt einen Preis (Kurs) von beispielsweise 12.000 Euro an.
Nun treten erste potentielle Interessenten mit Dir in Kontakt und geben Angebote zum Kauf ab. Der erste Interessent bietet 9.000 Euro, ein zweiter 10.000 Euro, ein dritter 11.000 Euro. Alle Angebote liegen jedoch in der Regel unterhalb Deines geforderten Kaufpreises.
Nun entscheidest Du, welches Angebot Du annehmen möchtest und zu welchem Preis Du den Wagen verkaufen wirst.
Diese Entscheidung müsste rein rational jetzt bei Angebot 3 liegen, also 11.000 Euro.
Deine Emotionen beeinflussen jedoch den Prozess erheblich:
Vielleicht benötigst Du gerade dringend das Geld und gehst daher gleich auf das erste Angebot ein (obwohl dies unter Deinem ermittelten Wert liegt). Vielleicht hast Du jedoch auch Spaß am verhandeln und möchtest ein richtig gutes Geschäft abschließen. Deswegen wartest Du auf Angebote, welche deutlich über 10.000 Euro liegen.
Fakt ist jedoch: Du wirst das Auto mit ziemlicher Sicherheit nicht zu genau 10.000 Euro verkaufen.
Obwohl dies der eigentliche Wert des Wagens ist.
Der Preis und der Wert des Wagens weichen also voneinander ab.
Und genau so verhält es sich mit dem Wert von Aktien und den dazugehörigen Kursen.
Jeder Auftrag (Order) wird an der Börse elektronisch im sogenannten Orderbuch erfasst.
Zum besseren Verständnis stellen wir uns dieses "Buch" jetzt mal als T-Konto mit zwei Seiten vor:
Auf der linken Seite stehen die Kaufaufträge und auf der rechten Seite werden die Verkaufsaufträge gelistet.
Die Aktienkurse werden nun nach den folgenden 4 Prinzipien ermittelt:
Jede Order, welche Du über Deinen Broker an die Börse übermittelst, wird nun zwar im Orderbuch eingetragen. Jedoch ...
Eine spannende Frage während meiner Ausbildungszeit zum Bankkaufmann war: Wie schafft es die Börse, jeden Auftrag bis zum Ende des Handelstages zu bedienen?
Die einfache Antwort lautet: Gar nicht. Es gilt nämlich:
Nicht jede Order wird an der Börse ausgeführt
Angenommen, Du würdest in unserem obigen Beispiel Deinem Broker eine Kauforder für 100 META Aktien zum Preis von 100 USD übermitteln.
Dann dachte ich früher, dass die Börse es nun irgendwie schaffen würde, einen passenden Verkäufer zu finden. Also jemanden, der bereit ist, die 100 Aktien zum Preis von 100 USD zu verkaufen.
Tatsächlich funktioniert der Handel jedoch vollkommen anders.
Die Börse ermittelt rechnerisch ganz einfach anhand des Orderbuches, zu welchem Kurs Anleger die jeweilige Aktie kaufen bzw. verkaufen können.
Es gibt also für jede Aktie ein eigenes Orderbuch, in dem alle Kauf- und Verkaufsaufträge der Trader und Investoren erfasst werden.
Die Börse ermittelt elektronisch, bei welchem Kurs die meisten Stückzahlen gehandelt werden
In der obigen Grafik (Tabelle, erste Zeile) kannst Du erkennen, dass zum Kurs von 105 zwar 245 Aktien gekauft würden. Der Handel würde jedoch lediglich auf 50 Stück beschränkt sein, da Verkäufer nur bereit sind, 50 Aktien zum Kurs von 105 zu verkaufen.
In der letzten Zeile siehst Du die Angaben zum Kurs von 130: Es stehen zwar 240 Aktien zum Verkauf zu diesem Kurs. Es würden jedoch auch hier wieder maximal 50 Aktien den Besitzer wechseln, da lediglich Kaufangebote über 50 Aktien zu diesem Kurs vorliegen.
Der Kurs der Aktie notiert in meinem Beispiel nun bei 118, da zu diesem Kurs die meisten Aktien gehandelt werden würden, insgesamt 120 Stück. Alle Verkaufsorders zum Preis von 118 wurden damit ausgeführt, nur von den 150 Kauforders können 30 nicht bedient werden.
Dies sollte Dir bis hierhin klar sein:
In der sogenannten Time & Sales List werden nun alle ausgeführten Trades chronologisch erfasst.
Die obige Grafik zeigt als Beispiel die Time & Sales List von Meta und ist - wie gesagt - im Grunde genommen nichts anderes, als eine fortlaufende Auflistung aller ausgeführten Trades.
In der Time & Sales List wird notiert,
gehandelt wurde.
Diesbezüglich gibt es an der Börse überhaupt keine Charts von Kursen oder graphische Darstellungen, sondern lediglich solche endlos langen Listen mit allen getätigten Umsätzen.
Nun möchtest Du in Deinem Trading zur Vorbereitung von Kauf- oder Verkaufsentscheidungen jedoch einen Chartverlauf (technisch) analysieren.
Und zu diesem Zweck werden Aktienkurse graphisch aufbereitet und in sogenannten Kurscharts veröffentlicht.
Die Grundform aller Kurscharts stellt dabei der sogenannte Tick Chart dar, hier erneut am Beispiel von META:
Auf der horizontalen Achse findest Du die Zeitangaben (Stunden und Minuten) und auf der vertikalen Achse findest Du die Kursangaben (Kurs in USD).
Der Tick Chart ist die grafische Umsetzung der Time & Sales List
Jeder neue zustande gekommene Umsatz erzeugt einen Tick (einen Punkt) und alle Punkte miteinander verbunden ergeben den oben dargestellten Kursverlauf.
Charttechnik Candlesticks: Wie Kurse zu Kerzen werden
Typische Trendverläufe an der Börse
Unterstützung und Widerstand in der technischen Chartanalyse
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